Zwischen den Welten

Was für ein Buch, was für eine wunderbare Autorin. Mit welcher Liebe sie ihren Beruf als Hospizschwester betrachtet, hat mich zutiefst berührt. Ehrlich gesagt mehr noch, als das eigentliche Thema ihres Buches, nämlich "Was ich als Hospizschwester über die Grenze zwischen Leben und Tod gelernt habe" - so der Untertitel des Buches.

Hadley Vlahos beschreibt ihre Erfahrungen mit 12 Palliativpatienten und wie sie durch sie lernt, dass es zwischen Leben und Sterben möglicherweise noch „mehr“ gibt, als sie immer dachte. Diese Erfahrungen entstehen im Laufe ihrer Arbeit, nicht bei jedem Patienten, aber immer wieder. Was ihr Anfangs spooky erscheint, wird mit der Zeit zu einer Gewissheit: Es gibt ETWAS, was im Rahmen des Sterbens mit Rationalität nicht zu erklären ist.

So beschreibt sie z.B., dass manche Patienten kurz vor ihrem Tod verstorbene Angehörige sehen und mit ihnen sprechen. In einem anderen Fall sagte eine demente Patientin ein Feuer voraus. Ich möchte nicht spoilern, daher nur diese wenigen Infos. In jedem Falle Erfahrungen, die nicht zu einem Schwarz-Weiß-Denken passen, also zu dem Denken, zu dem viele Menschen erzogen wurden, auch die Autorin.

Ich selbst denke anders, sehe die Schattierungen zwischen Weiß und Schwarz schon seit vielen Jahren, somit lese ich diese Beschreibungen nicht mit Erstaunen, sondern mit großer innerer Freude darüber, dass diese Zwischenwelt sich in besonderen Momenten zeigt. Für mich Geschenke, wertvolle Geschenke! Und wie wunderbar, dass auch andere Menschen dies erfahren.

Sehr berührt hat mich, wie gesagt, die Beschreibung der persönlichen Entwicklung der Autorin in ihrem Beruf als Hospizschwester. Ihre Erfahrungen, ihre Ängste, ihr Zweifeln – und dann ihre Freude, ihr großes Herz, ihre Liebe zu den Menschen, die sie begleitet und die sie umgeben. Einfach nur berührend, warm. Eine große Liebe spricht aus jeder Zeile, gleichzeitig eine Bescheidenheit und eine Demut. Es fiel mir schwer, das Buch aus der Hand zu legen, weil diese Liebe mir versichert, dass wir als Menschen so viel mehr in uns haben, als die Nachrichten dieser Welt uns glauben machen wollen.

Hadley Vlahos hat mir etwas geschenkt: den Glauben daran, dass es Menschen mit Liebe zu ihren Mitmenschen gibt, Menschen, die ihr Leben der Hilfe anderer widmen, ohne zu fragen, ohne etwas zu wollen. Menschen, die die wirkliche Not anderer sehen und handeln.  

Und darüber hinaus ist es wundervoll zu erfahren, wie viel mehr es zwischen den Welten gibt, als uns beigebracht wurde. Diese Zwischenwelt ist vielfältig, erstaunlich und immer liebevoll. Das zu erkennen und im eigenen Leben zuzulassen empfinde ich als sehr große Bereicherung.

Also: Ganz klare Leseempfehlung!